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Ein Kunstwerk entsteht zwischen Realismus und barocker Freskenmalerei
Stapelfeld, 24.05.2022: – Ein besonderes Kunsterlebnis wurde den Besuchern der Cloppenburger KunstHalle in den vergangenen Wochen geboten. Unter dem Titel „Real Abstrakt“ präsentierte die Hamburger Malerin Caroline von Grone eine sehenswerte und hochinteressante Auswahl ihres kreativen Schaffens aus den vergangenen Jahren. Zum Abschluss ließ sie sich im Rahmen des Projektes „Offenes Atelier“ am letzten Ausstellungswochenende beim Malen über die Schulter schauen. So konnten interessierte Besucher miterleben, wie aus einer Idee ein Kunstwerk entsteht.
Dieses einmalige Kunsterlebnis war einigen glücklichen Umständen zu verdanken. Eine bereits geplante Ausstellung musste abgesagt werden und glücklicherweise erklärte sich die Hamburger Künstlerin bereit, kurzfristig einzuspringen. Bei einem vorbereitenden Gespräch entstand die Idee, ein Porträt vor Ort anzufertigen. Ihre Wahl fiel auf PD Dr. Alexander Linke, Kunsthistoriker und Leiter der Abteilung für Bildende Kunst an der Katholischen Akademie Stapelfeld. „Ich kannte die Arbeiten von Caroline von Grone schon seit einigen Jahren aus der Galerie M in Bochum. Die Mischung aus konkreter Darstellung und Abstraktion haben mich von Anfang an fasziniert. Ich hätte nicht spontan zugestimmt, wenn ich ihre Malereien nicht so sehr schätzen würde“, betonte Dr. Linke.
Das Vorhaben verlangte jedoch einigen Aufwand. So wurden die Malutensilien der Künstlerin aus ihren Hamburger Atelier nach Cloppenburg gebracht. Dort wurde ein Teil der Ausstellungshalle mit dunklen Stoffbahnen abgehangen. In diesem dunklen Raum wurde wiederum ein weißer Vorhang platziert, auf dem von hinten das berühmte barocke Deckenfresko von Giovanni Battista Tiepolo projiziert wurde. Diese Projektion bildete schließlich den Hintergrund für das eigentliche Porträt. Bereits in den Vorgesprächen hatten die Künstlerin und ihr Modell einige Gemeinsamkeiten entdeckt. Sowohl Caroline von Grone als auch Dr. Alexander Linke sind große Bewunderer des Barock-Malers Tiepolo. Vor diesem Hintergrund entschied sich die Hamburgerin, das Porträt mit einer Reminiszenz an den von beiden sehr geschätzten Maler zu verbinden.
PD Dr. Alexander Linke forscht seit Jahren über den venezianischen Maler und hat auch seine Habilitationsschrift "Tiepolos Moderne. Aufklärung und ästhetische Reform" über dessen Leben und Werk verfasst, die in Kürze veröffentlicht wird.
Tiepolo war einer der führenden Fresken-Maler seiner Zeit und schuf in der Würzburger Residenz in den Jahren 1752 bis 1753 eines seiner Hauptwerke und das größte zusammenhängende Deckenfresko der Welt. „Das Deckenfresko von Tiepolo ist eines der schönsten Fresken, die ich kenne. Tiepolo arbeitet mit vielen Freiflächen und ungegenständlichen Farbräumen und löst sich damit von der tradierten Formensprache. Wenn man unter diesem Fresko steht, hat man das Gefühl, der Himmel reißt über einem auf“, erklärte von Grone, die in ihren Werken ebenfalls realistische Malerei und abstrakte Elementen verbindet. In ihren Porträts und Stillleben versucht sie eine Balance zwischen diesen beiden Polen herzustellen. Auf der einen Seite die naturnahe, realistische Darstellung des Hauptmotives und auf der anderen Seite offene, abstrakte Flächen, die unspezifisch und vage bleiben. So bleibt der Prozess des Entstehens erhalten und für den späteren Betrachter sichtbar.
Während Caroline von Grone mit beeindruckender Präzision und augenscheinlicher Leichtigkeit das annährend lebensgroße Porträt anfertigte, bedeutete die Sitzungen für Dr. Linke viele Stunden, in denen er regungslos in seiner Pose verharren musste. Allerdings wurden diese Stunden nicht schweigend verbracht. Die beiden tauschten sich lebhaft über moderne Kunst, Kunstgeschichte und vor allem über ihre gemeinsamen Lieblingsthemen aus: die Malerei im Allgemeinen und die Farbwirkung von Tiepolo im Besonderen.
Während des „Offenen Ateliers“ ließen sich weder Künstlerin noch Modell von den Besuchern irritieren, die zahlreiche Fragen hatten und durchaus auch ihre eigenen Meinungen über das Porträt und den gewählten Hintergrund vertraten. „Wenn mich die Kommentare stören würden, dürfte ich nicht öffentlich malen. Im Gegenteil, ich mag diese Auseinandersetzung mit den Zuschauern“, erklärte Caroline von Grone, die auch schon in einem lauten und zugigen U-Bahnschacht, in einem Café oder vor einem Abbruchhaus arbeitete. Gekonnt hält sie flüchtige Augenblicke in ihren Bildern fest und arbeitet ihre besondere Ästhetik heraus - zum Beispiel, wenn das Sonnenlicht durch ein Fenster scheint und einen Raum erstrahlen lässt oder den Moment, kurz bevor ein Abrisshaus zusammenstürzt, während sich im Fensterglas noch der blaue Himmel spiegelt. Die renommierte Künstlerin fertigt ihre Stillleben und Porträts immer direkt vor Ort – niemals von einer Fotografie. Sie braucht den direkten Austausch, die genaue Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln und die persönliche Auseinandersetzung mit den Porträtierten. Nur so gelingt es ihr, die Menschen nicht nur abzubilden, sondern auch ihren Charakter und ihr Selbst einzufangen.
Das Porträt des Kunsthistorikers Alexander Linke findet nun als Teil einer Porträt-Serie von Künstlern und Kreativ-Schaffenden einen Platz in ihrem Hamburger Atelier.
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